PD Dr. Hardy Bouillon (Trier)

Ökonomische Freiheit
Eigentum und Wohlfahrtsstaat bei Kant

Veröffentlicht in Aufklärung und Kritik 2/1999, S. 10-26


1.1. Kant und die Ökonomie

Kants Verhältnis zur wirtschaftlichen Freiheit steht unter einem besonderen Vorzeichen: Sein Interesse an der Ökonomie war äußerst gering. Folgt man Reinhard Brandt, dann war es überhaupt nicht vorhanden.(1) Aber auch, wenn Brandt Recht haben sollte: Fehlendes Interesse an der Ökonomie heißt nicht fehlendes Interesse an der für die Ökonomie so wichtigen wirtschaftlichen Freiheit der Individuen. Denn diese ist immerhin ein Teil der individuellen Freiheit und somit Gegenstand der Ethik, also Gegenstand eines Bereiches, der für Kant von geradezu vitalem Interesse war. Insofern ist Brandts Diagnose nicht ohne weiteres hinzunehmen. Brandt resümiert: "Kant hat sein beträchtliches Geld den Freunden Green und Motherby zur Vermehrung übergeben, seinen Diener Lampe in der Hauswirtschaft für ausreichend gehalten, und für die Wirtschaft Preußens war irgendwie dessen Diener Friedrich II. zuständig."(2) Er stellt Kant als einen Mann dar, der weder für den eigenen noch für den Staatshaushalt sonderliches Interesse aufbrachte und Ökonomie als eine pragmatische Angelegenheit betrachtete, der sich andere, aber nicht er selbst zu widmen hätten. Aber auch ungeachtet der Frage, ob nun Kant geringes oder kein Interesse an Ökonomie gehabt habe, darf eines von vornherein vermutet werden: Wenn Kant an den Fragen wirtschaftlicher Zusammenhänge keinen (oder nur wenig) geistigen Anteil genommen haben sollte, dann dürften seine Schriften nur selten ökonomische Themata enthalten; und wenn dies der Fall ist, dann dürften darin gemachte Äußerungen, die geringen Sachverstand bezeugen, kaum überraschen, sowenig wie der Schatten, den sie vermutlich auf Kants Urteilsfähigkeit ökonomischer Prozesse und der Bedeutung wirtschaftlicher Freiheit werfen.

Zunächst aber gilt festzuhalten, daß sich Kant zu ökonomischen Fragen geäußert hat, wenn auch nur am Rande. Zentral ist dieses Thema für ihn – und insoweit hat Brandt Recht – nie gewesen. Und in der Tat – wie zu vermuten war – lassen die wenigen Äußerungen Kants geringe Urteilsfähigkeit ökonomischer Prozesse erkennen. "Man kann mit Anteil haben an der allgemeinen Ungerechtigkeit, wenn man auch nach den bürgerlichen Gesetzen und Einrichtungen kein Unrecht thut. Wenn man nun einem Elenden eine Wohltat erzeiget, so hat man ihm nichts umsonst gegeben, sondern man hat ihm das gegeben, was man ihm durch eine allgemeine Ungerechtigkeit hat entziehen helfen. Denn wenn keiner die Güter des Lebens mehr an sich ziehen möchte, als der andre, so wären keine Reiche aber auch keine Arme."(3) Adam Smith hätte Kant in einer Hinsicht sicherlich Recht gegeben: Wenn keiner die Güter des Lebens mehr an sich ziehen möchte als der andere, so wären keine Reichen. Aber, und darin hätte Smith ihm widersprochen, wenn keiner die Güter des Lebens mehr an sich ziehen möchte als der andere, so wären nur Arme. Wenn eines die kapitalistische Theorie zu genüge erklärt und die Geschichte der ökonomischen Entwicklung ausreichend exemplifiziert hat, dann doch dieses, daß der Wettbewerb um die knappen Ressourcen die stärkste und wirkungsvollste Triebfeder für den Wohlstand aller ist.

Positiv gewendet hat Kant allerdings Recht. Dadurch, daß jeder danach strebt, Güter an sich zu ziehen, entstehen in der Regel ungleiche Vermögensverhältnisse im Markt, gibt es Reiche und Arme. Doch das ist kein notwendiges Resultat des freien Marktes, da es überhaupt keine notwendigen, soll heißen determinierbaren, Ergebnisse im freien Markt gibt. Jedes Resultat des freien Marktes ist unintendiert und nicht (im Detail) vorhersagbar.(4) Selbst dann, wenn alle Marktteilnehmer mit gleichen Vermögen in den Markt einträten, würden bald einige reich, andere arm sein, hätten manche Glück und manche Pech. Sowohl Gelingen wie Scheitern ist möglich, allein durch das Einwirken unvorhersehbarer Randbedingungen. Es kann vorkommen, daß Marktteilnehmer unverschuldet in Not geraten. Dann entsteht das Armenproblem, ein Problem, das auch Kant gesehen hat. In den Reflexionen 8000, 8001 nimmt er dieses Thema auf. Kant hält eine Mindestabsicherung durch den Staat für geboten. Er begründet seine Auffassung nicht mit dem Recht der Armen als Bürger, sondern mit den Bedürfnissen der Armen als Menschen, ganz gleich ob deren Situation selbstverschuldet oder nicht selbstverschuldet ist.(5) Kant wägt ab, ob die Armenunterstützung von den Bürgern freiwillig oder unter Zwang erfolgen soll, ob "als Geschenk oder Contribution (Steuer)"(6). Aber er stellt dabei lediglich die Folgen dieser zwei Möglichkeiten einander gegenüber, nicht die Möglichkeiten selbst. Er problematisiert nicht die Beschneidung der wirtschaftlichen Freiheit durch Zwangsabgaben.

Freilich, unter einem Souverän besteht nicht die Gefahr, daß Sondergruppen Mindestabsicherung zum Alibi interessengesteuerter Umverteilung mißbrauchen. Insofern kann man Kant nicht den Vorwurf machen, diese Möglichkeit nicht beachtet zu haben. Sie war zu seiner Zeit nicht vorhanden. Man kann aber sehr wohl feststellen, daß Kant hier keinerlei ethische Problematik ins Feld führt, obwohl er die Frage, ob freiwillige oder erzwungene Armenfürsorge, für die in dieser Angelegenheit entscheidende Frage hielt.

Diese Feststellung kann man unbeschadet der Tatsache treffen, daß Kant die Armenfürsorge nicht durch das Recht des Armen als Bürger sondern durch das Bedürfnis des Armen als Mensch rechtfertigt. Ein Recht des Armen als Bürger wäre mit dem Recht seiner Mitbürger auf individuelle, hier im besonderen auf wirtschaftliche Freiheit nicht vereinbar gewesen, da beide nicht zugleich einlösbar gewesen wären. Aber auch aus einem anderen Grund wäre für Kant ein Armen"recht" nicht in Frage gekommen. Die Kantischen Rechtsregeln, nach denen Eigentumsfragen zu ordnen sind, sind formal, allgemein, gleich und erzwingbar, d.h. verbindlich. Regeln, die nicht allgemein und gleich sind, sondern nur die Bedürfnisse einzelner Personen oder Gruppen befriedigen, sind folglich mit Kants rechtsstaatlichen Prinzipien unvereinbar.(7) Doch auch, wenn man dem Armen als Bürger kein Recht einräumt, von seinen Mitbürgern unterstützt zu werden, ist und bleibt jede staatliche Besteuerung, die nicht auf der freiwilligen Zustimmung der Betroffenen fußt, ein Eingriff in die individuelle Freiheit der Besteuerten. Das Motiv, aus dem heraus besteuert wird, ändert an dieser Tatsache nichts.

Man ist geneigt anzunehmen, daß Kant in dem, was er "allgemeine Ungerechtigkeit" nennt, ein Motiv für staatliche Armenfürsorge sah. Dieses Motiv bekommt durch das Streben des Menschen nach Glück allerdings eine höchst interessante Wendung; eine Wendung, die staatliche Armenfürsorge und individuelle Freiheit ohne gegenseitige Beeinträchtigung nebeneinander bestehen läßt. Wer nämlich einem Elenden eine Wohltat erzeiget, um in Kants Worten zu sprechen, trägt damit nur seinen Teil der Schuld an der allgemeinen Ungerechtigkeit ab, die er trotz aller Rechtschaffenheit auf sich geladen hat. Er trägt somit zu seinem eigenen Glück bei. So gedacht, kann Kant sagen: "Im Staatsrecht ist nicht das Glük der Bürger (denn das mögen sie selbst besorgen) sondern das Recht derselben, was das princip der Verfassung ausmacht. Der Wohlstand des Ganzen ist nur das Mittel, ihr Recht zu sichern und sie dadurch in den Stand zu setzen, sich selbst auf alle Weise glüklich zu machen. Daher müssen sie auch die Armen selbst versorgen, Schulen unterhalten und ihre Kinder selbst erziehen, aber auch die Freyheit dazu haben, ihre Religion selbst bestimmen, aber nur durch Einstimmung sie verändern."(8)

Es liegt auf der Hand, daß derjenige, der die ungleiche Güterverteilung nicht als allgemeine Ungerechtigkeit und Armenfürsorge nicht als Beförderung seines Glückes versteht, Kant nicht folgen kann. Er kann das Muß zur Armenfürsorge nicht als ein selbst gestelltes Muß, das seiner freien Entscheidung entspringt, verstehen. Er kann es nur als eine Beschneidung der Freiheit sehen, was es in seinem Falle auch ist. Das Gleiche gilt für die Unterhaltung von Schulen und die Erziehung von Kindern. Nur gewollt – wobei die Motive, es zu wollen, unterschiedlich sein könne – sind sie mit Freiheit vereinbar.

Für Hayekianer ist Kants Bewertung der ungleichen Vermögensverhältnisse (die auch die beste bestehende Rechtsordnung nicht ausschließen kann) als allgemeine Ungerechtigkeit unhaltbar. Die Prädikate ‘gerecht’ und ‘ungerecht’ sind auf unintendierte Ergebnisse nicht anwendbar. Nur Resultate, die einer Absicht entspringen, können – wie die Absicht und die ihr entsprechende Handlung auch – gerecht oder ungerecht genannt werden. Hayek ist darin kantischer als Kant selbst. Die von Kant gemahnte allgemeine Ungerechtigkeit ist ja nur im Sinne einer konsequentialistischen Ethik zu verstehen. Das verwundert insofern, weil Kant es ausdrücklich ablehnt, pragmatische Gesichtspunkte zur Begründung der Sittenlehre heranzuziehen. Nach Kant "ist die größte Aufmerksamkeit darauf zu richten, daß das Pflichtgebot ja nicht auf die aus dessen Beobachtung für den Menschen, den es verbinden soll, ja selbst auch nicht einmal für Andere fließenden Vortheile oder Nachtheile, sondern ganz rein auf das sittliche Prinzip gegründet werde, ... Die Schändlichkeit, nicht die Schädlichkeit des Lasters (für den Thäter selbst) muß überall hervorstechend dargestellt werden. Denn wenn die Würde der Tugend in Handlungen nicht über alles erhoben wird, so verschwindet der Pflichtbegriff selbst und zerrinnt in bloße pragmatische Vorschriften;"(9)

Kant selbst hält sich nicht in aller Konsequenz an diese Maxime, zumindest nicht im Hinblick auf die Begründung von Strafrecht.(10) Im hier diskutierten Falle geht es aber allein um die Begründung der Sittlichkeit: Wer rechtschaffen ist, aber die Güter des Lebens mehr an sich ziehen will, hilft mit, eine allgemeine Ungerechtigkeit zu erzeugen. Diese Konsequenz ist der Grund, die Handlung ungerecht zu nennen.

Das Zitat über die allgemeine Ungerechtigkeit, dem unsere Aufmerksamkeit bislang galt, reicht selbstredend als Beleg für Kants geringen ökonomischen Sachverstand nicht aus. Man muß einiges dazu in Rechnung stellen: Zum einen stammt das Zitat aus einer Vorlesungsmitschrift. Zum anderen könnte es – auch wenn es durch andere Passagen "gedeckt" zu sein scheint(11) – einer Nachlässigkeit entsprungen sein, die durch andere Stellen wettzumachen wäre. Zumindest wird man Kant zugestehen müssen, daß ihm die wohlstandsfördernde Kraft der ökonomischen Freiheit im Prinzip eingeleuchtet hat; daß er um die wohlstandsabträgliche Wirkung wußte, die der Beschneidung wirtschaftlicher Freiheit folgt und den Staat im Wettbewerb mit anderen Staaten schwächt. Im achten Satz seiner Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht (1784) heißt es: "bürgerliche Freiheit kann jetzt auch nicht sehr wohl angetastet werden, ohne den Nachteil davon in allen Gewerben, vornehmlich dem Handel, dadurch aber auch die Annahme der Kräfte des Staats im äußeren Verhältnisse, zu fühlen."(12) Ob diese Äußerung wirtschaftstheoretischer Reflexion entspringt oder nur der unreflektierten Übernahme wirtschaftstheoretischen Allgemeinguts jener Zeit, läßt sich jedoch nicht ohne weiteres sagen. Ähnliches gilt für eine andere Äußerung Kants, die wir dem ersten Satz seiner Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht entnehmen: "Einzelne Menschen und selbst ganze Völker denken wenig daran, daß, indem sie, ein jedes nach seinem Sinne und einer oft wider den andern, ihre eigene Absicht verfolgen, sie unbemerkt an der Naturabsicht, die ihnen selbst unbekannt ist, als an einem Leitfaden fortgehen, und an derselben Beförderung arbeiten, an welcher, selbst wenn sie ihnen bekannt würde, ihnen doch wenig gelegen sein würde."(13) Spricht diese Stelle für Kants Reflexion der ordnungstheoretischen Auffassung von Adam Ferguson und Adam Smith? Oder ist sie nur Zeugnis der unreflektierten Wiedergabe dessen, was durch die Verbreitung einer von Ferguson und Smith ausgehenden Theorie zum geistigen Allgemeingut des späten 18. Jahrhunderts wurde: nämlich daß Menschen, die ihre eigenen Ziele verfolgen, im Zusammenspiel mit anderen und ohne es zu wollen, bestimmte Ordnungen schaffen. So schrieb Adam Ferguson in An Essay on the History of Civil Society (1767): "Völker finden sich unerwartet im Besitz von Einrichtungen, die in der Tat zwar das Ergebnis menschlichen Handelns, doch nicht die Ausführung irgendeines menschlichen Entwurfs sind."(14)

Wie sehr sich Kant an diese oder gar an jene berühmt gewordene Passage aus Smith’ Wohlstand der Nationen (1776) anzulehnen scheint, verdeutlicht eine Gegenüberstellung mit eben jener prominenten Sequenz. Smith schreibt über den Investor, der sein Kapital ins eigene Land steckt: "Und er wird in diesem wie auch in vielen anderen Fällen von einer unsichtbaren Hand geleitet, um einen Zweck zu fördern, den zu erfüllen er in keiner Weise beabsichtigt hat. Auch für das Land selbst ist es keineswegs immer das schlechteste, daß der einzelne ein solches Ziel nicht bewußt anstrebt, ja, gerade dadurch, daß er das eigene Interesse verfolgt, fördert er häufig das der Gesellschaft nachhaltiger, als wenn er wirklich beabsichtigt, es zu tun. Alle, die jemals vorgaben, ihre Geschäfte dienten dem Wohl der Allgemeinheit, haben meines Wissens niemals etwas Gutes getan."(15) Ob Kant Smith gelesen hat, wird man nicht ohne weiteres sagen können. Aber die Ähnlichkeit der beiden Zitate ist offenbar. Sicher: Die Kontexte sind unterschiedlich und somit auch ihre Stoßrichtungen. Aber die Einsicht, daß die Verfolgung individueller Ziele unbeabsichtigt ein überindividuelles Gut (sei es Naturabsicht oder Allgemeinwohl) fördert, steckt in beiden Sequenzen.

Zwischen Smith’ Wohlstand der Nationen und Kants Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht liegen acht Jahre; also genug Zeit für Kant, um mit Smith’ Wohlstandstheorie bekannt zu werden, sei es nun unmittelbar durch die Lektüre oder eben nur mittelbar durch die Weitergabe eines Dritten. Aber auch schon lange vor dem Wohlstand der Nationen hat Smith die Theorie spontaner Schöpfung von Allgemeinwohl an prominenter Stelle vertreten. In seiner Theorie der ethischen Gefühle (1759) heißt es über die wohlhabenden Bürger: "Von einer unsichtbaren Hand werden sie dahin geführt, beinahe die gleiche Verteilung der zum Leben notwendigen Güter zu verwirklichen, die zustandegekommen wäre, wenn die Erde zu gleichen Teilen unter alle ihre Bewohner verteilt worden wäre; und so fördern sie, ohne es zu beabsichtigen, ja ohne es zu wissen, das Interesse der Gesellschaft und gewähren die Mittel zur Vermehrung ihrer Gattung."(16) Also auch die Theorie der ethischen Gefühle hätte Kant dazu dienen können, mit Smith’ Wohlstandstheorie bekannt zu werden.(17) Interessanterweise macht gerade dieses Zitat in Gegenüberstellung mit jener o.g. Stelle aus der Vorlesungsmitschrift zu Kants Vorlesung über Ethik den Unterschied zwischen Kant und Smith deutlich. Kant glaubte, daß, "wenn keiner die Güter des Lebens mehr an sich ziehen möchte als der andere, so wären keine Reiche aber auch keine Arme."(18) Ganz anders Smith: Er glaubt, daß gerade dann, wenn die Individuen ihre eigenen Ziele verfolgen, eine gleichmäßige Verteilung der lebenswichtigen Güter erfolgt, die einer natürlichen, egalitären Ressourcenverteilung annähernd entspräche. Individuen, die ihre eigenen Ziele verfolgen, bewirken demnach keine allgemeine Ungerechtigkeit und laden somit auch keine Schuld auf sich.


1.2. Kant und Eigentum: Mein und Dein

Kants geringes Interesse an der Ökonomie mag sein unzureichendes Verständnis ökonomischer Prozesse erklären. Umgekehrt deutet seine schmale Kenntnis um solche Prozesse auf sein mangelndes Interesse für Ökonomie hin. Doch dieses Desinteresse beschränkte sich allein auf das, was an der Ökonomie rein ökonomisch war. Sobald diese aber in ein Feld hineinragte, das den Philosophen als Philosophen berührte, z.B. in das Feld des Sittlich-Rechtlichen, wurde sie für Kant zum Thema. So ist die Frage des Eigentums für Kant deshalb interessant, weil sie die Frage nach dem rechtlichen Verhältnis zwischen mein und dein aufwirft.

"Der Leib ist mein denn er ist ein Theil meines Ichs und wird durch meine Willkühr bewegt. Die ganze belebte oder unbelebte Welt die nicht eigene Willkühr hat ist mein in so fern ich sie zwingen u. sie nach meiner Willkühr bewegen kann. Die Sonne ist nicht Mein. Bey einem andern Menschen gilt dasselbe, also ist keines Eigenthum eine proprietat oder ein ausschliessendes Eigenthum. In so fern ich aber ausschließungsweise mir etwas zueignen will so werde ich des andern Willen wenigstens nicht gegen den meinigen oder nicht seine That wieder die Meinige voraussetzen Ich werde also die Handlungen ausüben die das mein bezeichnen ... Der Andre Mensch sagt mir das ist sein denn es gehört durch die Handlungen seiner Willkühr gleichsam zu seinem Selbst."(19) In seinen Bemerkungen zu den Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen, denen dieses Zitat entnommen ist, gründet Kant die Entstehung von Eigentum auf des Menschen Möglichkeit, Dinge ohne eigene Willkür, seien sie belebt oder unbelebt, durch seine Willkür zu bewegen. Das gilt für Eigentum am eigenen Leib wie für Eigentum an anderem. Für den eigenen Leib gilt zudem, daß er Teil des Ichs ist. Der Mensch hat somit aus zweifachem Grund Eigentum am eigenen Körper.(20) Für die Aneignung aller außerleiblichen Gegenstände ohne eigene Willkür ist allein die Willkür des Menschen ursächlich; selbstverständlich nur dann, wenn ihr die entsprechende Macht zur Seite steht. Was der Mensch sich nicht aneignen kann, ist nicht sein Eigentum. Darum sagt Kant: Die Sonne ist nicht mein.

Für die Aneignung von Eigentum (Privateigentum) reicht die von entsprechender Potenz begleitete Willkür jedoch nicht aus. Denn alle mit Willkür und der Potenz, willkürlose Dinge zu bewegen, zu zwingen, ausgestattete Menschen erfüllen die Bedingung zur Schaffung von Eigentum. Deshalb haben zunächst auch alle gleichen Anteil am Eigentum von Dingen, die selbst ohne Willkür sind und gezwungen oder bewegt werden können.(21) Erst durch den Vollzug des Könnens entsteht Eigentum. Arbeit ist dieser Vollzug. Wenn ich einen im Gemeinbesitz befindlichen Baum fälle, ihn bearbeite, dann wird er mein.

Kant knüpft also an Locke an: Beimengung von Arbeit an herrenlose Güter initiiert Eigentum. Für Locke jedoch erklärt die Beimengung von Arbeit nicht nur die Entstehung von Eigentum, sondern auch die Legitimität dieser Entstehung. Diese Doppelleistung an Erklärung mußte Locke wohl oder übel erbringen. Denn schließlich hatte er in seinen Zwei Abhandlungen über die Regierung (1690) Sir Robert Filmer bravourös widerlegt, der behauptet hatte, das Erbmonarchentum könne sich auf die direkte Abstammung von Adam und der damit verbundenen Herrschaftsgewalt berufen. Diese Widerlegung brachte Locke jedoch in eine gewisse Kalamität. Verzichtet man nämlich darauf, "das Eigentum unter der Voraussetzung zu erklären, daß Gott die Welt Adam und seiner Nachkommenschaft gemeinsam gegeben habe, so ist es unmöglich, daß überhaupt irgendein Mensch außer einem einzigen universalen Monarchen irgendwelches Eigentum besitzen kann, wenn man annimmt, Gott habe die Welt Adam und der gesamten übrigen Nachkommenschaft gegeben."(22) Zwei Annahmen genügen Locke, um Eigentum durch Arbeit zu legitimieren: 1. Die Natur gehört allen Menschen. 2. Jeder Mensch hat das ausschließliche Recht an der eigenen Person und seiner Arbeit. Eigentum entsteht somit bereits mit dem Eintritt des Menschen in die Welt. Und was der Mensch "dem Zustand entrückt, den die Natur vorgesehen und in dem sie es belassen hat, hat er mit seiner Arbeit gemischt und ihm etwas eigenes hinzugefügt. Er hat es somit zu seinem Eigentum gemacht. ... da diese Arbeit das unbestreitbare Eigentum des Arbeiters ist, kann niemand außer ihm ein Recht auf etwas haben, was einmal mit seiner Arbeit verbunden ist. Zumindest nicht dort, wo genug und ebenso gutes den anderen gemeinsam verbleibt."(23) Arbeit ist somit die legitime Grundlage für alles Eigentum, sofern den anderen noch genügend gleich gutes bleibt und, wie Locke an anderer Stelle hinzufügt, nichts verdirbt.(24) Erst mit der Einführung des Geldes wird die letzte Klausel überflüssig.(25)

Kant sieht wie Locke die Erde im Besitz aller.(26) Er übernimmt auch (zunächst, d.h. 1764 in den Bemerkungen zu den Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen) Lockes Herleitung legitimen Eigentums aus der Beimischung von Arbeit. Aber er läßt diese Auffassung später fallen.(27) Offenbar ist dem späten Kant der Aspekt der Rechtlichkeit von Eigentumserwerb durch Locke zu wenig Rechnung getragen worden. Recht an einer Sache, so der späte Kant, kann nur aus dem Eigentum ihrer Substanz, nicht aber aus dem Besitz der Accidenzen der Substanz erwachsen. Die Arbeit an einer Sache, die nicht bereits mein Eigentum ist, führt nicht zum Eigentum an ihr (ihrer Substanz), sondern nur zum Besitz ihrer Accidenzen (z.B. Fleiß, Mühe). Wenn ich z.B. auf einem Acker pflüge und säe, der nicht bereits mein Eigentum ist, erwerbe ich den Acker nicht durch meine Arbeit. Durch meine Tun bin ich lediglich im Besitz der Arbeit, des Fleißes und der Mühe.

Kant macht dies in seiner Metaphysik der Sitten (1797) deutlich: "Daß die erste Bearbeitung, Begränzung, oder überhaupt Formgebung eines Bodens keinen Titel der Erwerbung desselben, d.i. der Besitz des Accidenz nicht einen Grund des rechtlichen Besitzes der Substanz abgeben könne, sondern vielmehr umgekehrt das Mein und Dein nach der Regel (accessorium sequitur suum principale) aus dem Eigenthum der Substanz gefolgert werden müsse, und daß der, welcher an einen Boden, der nicht schon vorher der seine war, Fleiß verwendet, seine Mühe und Arbeit gegen den Ersteren verloren hat, ist für sich selbst so klar, daß man jene so alte und noch weit und breit herrschende Meinung schwerlich einer anderen Ursache zuschreiben kann, als der ingeheim obwaltenden Täuschung, Sachen zu personificiren und, gleich als ob jemand sie sich durch an sie verwandte Arbeit verbindlich machen könne, keinem Anderen als ihm zu Diensten zu stehen, unmittelbar gegen sie sich ein Recht zu denken; denn wahrscheinlicherweise würde man auch nicht so leichten Fußes über die natürliche Frage (...) weggeglitten sein: ,,Wie ist ein Recht in einer Sache möglich?" ... Was die Körper auf einem Boden betrifft, der schon der meinige ist, so gehören sie, wenn sie sonst keines Anderern sind, mir zu, ohne daß ich zu diesem Zweck eines besonderen rechtlichen Acts bedürfte (nicht facto, sondern lege); nämlich weil sie als der Substanz inhärirende Accidenzen betrachtet werden können (iure rei meae), wozu auch Alles gehört, was mit meiner Sache so verbunden ist, daß ein Anderer sie von dem Meinen nicht trennen kann, ohne dieses selbst zu verändern (z.B. Vergoldung, Mischung eines mir zugehörigen Stoffes mit andern Materien, Anspülung oder auch Veränderung des anstoßenden Strombettes und dadurch geschehende Erweiterung meines Bodens u.s.w.)."(28)

Kants Einwand gegen Locke könnte man demnach so formulieren: Durch die Arbeit entsteht keine Verbindlichkeit der Sache gegen die arbeitende Person. Sachen sind keine Personen. Verbindlichkeiten können nur zwischen Personen bestehen, und genau diese Verbindlichkeit muß geklärt sein, wenn der Anspruch auf Eigentum an einer Sache erhoben wird. Die Frage wäre also: Wie kann ich jemanden die Enthaltung vom Gebrauch einer Sache, die ich mein eigen nenne, verbindlich machen?

In seiner Metaphysik der Sitten gibt Kant eine Antwort auf diese Frage. Dort legt er zu Beginn Der Rechtslehre Erster Theil. Das Privatrecht dar, auf welche Art man rechtlich etwas anderes als die eigene Person (etwas Äußeres als das Seine) haben kann. "Das rechtlich Meine (meum iuris) ist dasjenige, womit ich so verbunden bin, daß der Gebrauch, den ein Anderer ohne meine Einwilligung von ihm machen möchte, mich lädiren würde."(29) Kant unterscheidet zwischen dem momentanen (empirischen) Besitz (possessio phaenomenon) einer Sache (gemeint ist eine dingliche Sache oder eine Willkür eines Dritten oder eine Person wie Weib, Kind, Gesinde) und dem gedachten, intelligiblen Besitz (possesio noumenon) derselben. Ein intelligibler Besitz muß als möglich vorausgesetzt werden, damit eine Trennung von äußerem Mein und Dein, ein rechtliches Eigentum an einer Sache überhaupt möglich ist.(30) Rechtliches Eigentum an einer Sache habe ich dann, wenn sie sich, auch außerhalb meines physischen Wirkungskreises (also außerhalb des empirischen Besitzes) stehend, in meiner Willkür befindet. "Das äußere Meine ist dasjenige, in dessen Gebrauch mich zu stören Läsion sein würde, ob ich gleich nicht im Besitz desselben (...) bin.(31) Was rechtlich mein ist, auferlegt jedem die Verbindlichkeit, sich des unerlaubten Gebrauchs meiner Sache zu enthalten.(32) Widrigenfalls lädiert er meine Freiheit. "Die Art also, etwas außer mir als das Meine zu haben, ist die bloß rechtliche Verbindung des Willens des Subjects mit jenem Gegenstande, unabhängig von dem Verhältnisse zu demselben im Raum und in der Zeit, nach dem Begriff des intelligiblen Besitzes."(33) Der Wille ist für Kant mitentscheidend. Ob etwas durch Erwerb mein wird, hängt nicht nur von meinem Vermögen ab, es unter meine Willkür zu bringen, sondern "endlich, was ich (...) will, es solle mein sein, das ist mein."(34) Sofern ich eine Sache zu meinem Eigentum machen will und kann, die zum Gemeinbesitz gehört, bemächtige ich mich ihrer. Bemächtigung ist also die ursprüngliche Erwerbung. Aber, und das gilt es zu beachten: Eine Bemächtigung ist nur eine einseitige Erklärung des Willens, Eigentum an einer bestimmten Sache zu haben. Verbindlich für andere ist sie nicht; sie ist nur zufällig. Um allgemeine Verbindlichkeit zu erlangen, "wird ein allseitiger, nicht zufällig, sondern a priori, mithin nothwendig vereinigter und darum allein gesetzgebender Wille erfordert; denn nur nach dieses seinem Princip ist Übereinstimmung der freien Willkür eines jeden mit der Freiheit von jedermann, mithin ein Recht überhaupt, und also auch ein äußeres Mein und Dein möglich."(35) Kurz: Der allseitige Wille der anderen muß gegeben sein, damit mein Eigentum an einer Sache und damit der ausschließliche Gebrauch daran für die anderen verbindlich ist.

Lockes hätte ein "Finders are keepers" gereicht: Wer eine Sache, die nicht Eigentum eines anderen ist, findet und an sich nimmt resp. bearbeitet, darf sie sein eigen nennen, und zwar legitimerweise. Anders Kant: Wer eine Sache, die nicht Eigentum eines anderen ist, findet und an sich nimmt resp. bearbeitet, hat sich ihrer bemächtigt. Sie sein eigen zu nennen, ist bloß eine einseitige Willenserklärung, die für die anderen erst durch allseitige Willenserklärungen verbindlich wird.

Kants Position ist jedoch nicht als Rückkehr zur naturrechtlichen Vertragstheorie zu verstehen; auch wenn man einräumen muß, daß diese Vermutung nahe liegt. So hatten bereits Grotius und Pufendorf eine Rechtsverbindlichkeit nur zwischen Personen, nicht aber zwischen Personen und Sachen anerkannt. Locke hatte jedoch die naturrechtliche Vertragstheorie, wonach Eigentumserwerb die Zustimmung aller bedarf, aus gutem Grund zurückgewiesen. "Wäre eine solche Zustimmung notwendig gewesen, so wären alle Menschen verhungert, ungeachtet des Überflusses, den Gott ihnen gegeben hat."(36) Wäre Kant zur naturrechtlichen Vertragstheorie zurückgekehrt, hätte er Lockes Einwand nicht Rechnung getragen. Aber Kant begründet seine Position nicht naturrechtlich. Er versucht vielmehr, sie auf der Ebene der "reinen rechtlich-praktischen Vernunft"(37) zu entwickeln. Rechtsverbindlich erworbenes Eigentums entsteht nicht durch die faktische Vereinigung der Willen aller. Es gründet auf dem "a priori als vereinigt gedachten Willen"(38). Kant setzt also keine faktische Zustimmung aller für die Möglichkeit von Eigentum voraus. Diese Zustimmung muß lediglich gedacht werden können. Auch das Eigentum selbst, als possessio noumenon, ist nicht empirisch auffindbar. Man kann nicht von einer Sache sagen, sie sei mein, wie man von ihr sagen kann, sie existiere grün.(39) Eigentum ist kein Faktum, sondern gedacht(40); nicht empirisch, sondern normativ.


1.3. Freiheit als unveräußerliches Recht

Der rechtliche Weg zu Eigentum an Sachen führt also nach Kant immer über die einseitige Bemächtigung des Erwerbers und die (gedachte) allseitige Einwilligung der Mitmenschen. Nur im Falle des Eigentums am eigenen Leib ist das anders. Am eigenen Leib hat der Mensch ursprünglich (d.h. mit seiner Geburt) Eigentum. Kant begründet dies selbstverständlich anders als das Eigentum an einer Sache. Das wäre auch schwerlich anders möglich. Die Bedingungen für rechtliches Eigentum an Sachen können nicht als Bedingungen für rechtliches Eigentum am eigenen Leib herhalten. Die Konsequenzen wären allzu abstrus: Jeder müßte sich seiner selbst bemächtigen, dadurch eine einseitige Willenserklärung abgeben und die allseitige Willenserklärung seiner Mitmenschen denken können, bevor er sich selbst sein eigen nennen könnte. "Der Leib ist mein denn er ist ein Theil meines Ichs und wird durch meine Willkühr bewegt", so Kant.(41) Da der Leib ein Teil meines Ichs ist, ist er von vornherein für den anderen tabu. Das unterscheidet einen Leib von allen anderen beweglichen und belebten Teilen der Welt, die zunächst allen Menschen, sofern diese Willkür auf sie ausüben können, gehören.

Das Eigentum am eigenen Leib wird somit zu einem unveräußerlichen Recht erklärt, und zwar zu einem unveräußerlichen Recht in einem aktiven und einem passiven Sinne: Der Mensch kann es weder veräußern noch verlieren. Zwar kann er es verwirken, indem er rechtsbrüchig wird. Aber er kann es nicht verschenken, etwa indem er sich freiwillig in die Sklaverei begäbe, und er kann es nicht an andere verlieren, da es ihm angeboren ist und ihm notwendig gehört. Es ist Teil seines Ichs.

Die Unveräußerlichkeit des Rechts am eigenen Leib im aktiven Sinne, d.i. die Unmöglichkeit, sich freiwillig in die Sklaverei zu begeben, schließt Kant aus dem Verlust an Verbindlichkeit, den der Sklavenvertrag mit sich brächte. Zwar gesteht Kant dem Hausherrn zu, er habe Eigentum an seinem Gesinde nach dem Sachenrecht, und so könne er, "wenn es ihm entläuft, es durch einseitige Willkür in seine Gewalt bringen; was aber die Materie betrifft, d.i. welchen Gebrauch er von diesen seinen Hausgenossen machen kann, so kann er sich nie als Eigenthümer desselben (dominus servi) betragen: weil er nur durch Vertrag unter seine Gewalt gebracht ist, ein Vertrag aber, durch den ein Theil zum Vortheil des anderen auf seine ganze Freiheit Verzicht thut, mithin aufhört, eine Person zu sein, folglich auch keine Pflicht hat, einen Vertrag zu halten, sondern nur Gewalt anerkennt, in sich selbst widersprechend, d.i. null und nichtig, ist."(42) Die persönliche Freiheit ist also unveräußerlich, weil nicht durchsetzbar. Wer freiwillig auf seine Freiheit zugunsten eines anderen verzichtet, hört auf, Person zu sein und kann somit keine Verbindlichkeit mehr erfüllen, denn nur gegenüber Personen sind Verbindlichkeiten möglich.

Kants Auffassung zur Unveräußerlichkeit des Rechts auf die eigene Person steht damit in einem interessanten Verhältnis zur Auffassung Lockes in dieser Sache. In seinen Zwei Abhandlungen über die Regierung verteidigt Locke die Unmöglichkeit der freiwilligen Sklaverei mit dem Hinweis, daß niemand mehr Gewalt verleihen könne, als er besitze. Da das Leben Gott gehört, kann der Mensch sich "weder durch einen Vertrag noch durch seine eigene Zustimmung zum Sklaven eines anderen machen."(43) Geschähe es dennoch, würde das den Kriegszustand zwischen den Vertragsparteien ausrufen und somit ebenfalls zur Hinfälligkeit des Vertrages bzw. Abstimmung führen.

Interessanterweise kommen Kant und Locke somit zum selben Schluß: Ein Vertrag freiwilliger Sklaverei ist nicht durchsetzbar. Ihre jeweiligen Ausgangspunkte sind trotzdem verschieden. Locke argumentiert aus der naturrechtlichen Sichtweise heraus: Der Mensch hat ein natürliches Recht an seinem Eigentum. Doch er selbst ist nicht sein Eigentum, sondern Eigentum Gottes. Was nicht sein ist, kann er nicht anderen übertragen, mithin auch nicht die Gewalt über sich selbst. Kant argumentiert aus rein rechtlichem Blickwinkel heraus: Rechtlich durchsetzbar ist nur ein Vertrag, der eine Verbindlichkeit gegenüber einer Person enthält. Eine Person, die einen Vertrag abschließt, der ihr Personsein beendet, verliert somit die Grundlage (eben das Personsein), auf welcher der Vertrag gegen sie verbindlich gemacht werden könnte.

Die äußere (rechtliche) Freiheit ist für Kant "die Befugnis, keinen äußeren Gesetzen zu gehorchen, als zu denen ich meine Beistimmung habe geben können."(44) Daher ist das Recht auf den eigenen Leib (als äußere Freiheit) auch im passiven Sinne unveräußerlich. Ich könnte es nicht an andere verlieren, selbst wenn sie es mir unter dem Vortäuschung eines gesetzeskonformen Vorgehens abnähmen, weil ich einem solchen Akt meine Zustimmung und damit die verbindliche Anerkennung versagen könnte. Nur die Gesetze, denen ich zustimmen kann, sind für mich verbindlich. "Denn was meine Freiheit betrifft, so habe ich selbst in Ansehung der göttlichen, von mir durch bloße Vernunft erkennbaren Gesetze keine Verbindlichkeit, als nur sofern ich dazu selber habe meine Beistimmung geben können (denn durchs Freiheitsgesetz meiner eigenen Vernunft mache ich mir allererst einen Begriff vom göttlichen Willen)."(45)

Indem ich ein unveräußerliches Recht am eigenen Leib habe, habe ich Eigentum an etwas, das auf immer der Willkür anderer entzogen ist. Mein Leib ist nur meiner Willkür unterstellt, so wie der Leib des anderen allein Subjekt seiner Willkür ist. Willkür ist nach Kant die Verbindung des Begehrungsvermögens mit dem Bewußtsein, daß die Handlung, welche das begehrte Objekt hervorbringen soll, ihr Ziel erfüllen kann.(46) Diese Willkür ausüben zu können, unabhängig von der Willkür anderer, bedeutet faktisch Freiheit, und zwar Freiheit im Sinne der Abwesenheit willkürlicher Drittbestimmung.(47) "Freiheit (Unabhängigkeit von eines Anderen nöthigender Willkür), sofern sie mit jedes Anderen Freiheit nach einem allgemeinen Gesetz zusammen bestehen kann, ist dieses einzige, ursprüngliche, jedem Menschen kraft seiner Menschheit zustehende Recht."(48)

Freiheit ist also für Kant ein angeborenes und damit unveräußerliches Recht, das denknotwendig aus dem unveräußerlichen Recht (Eigentum) am eigenen Leib folgt. Denn Eigentum am eigenen Leib heißt, diesen durch die eigene Willkür bewegen können. Ein unveräußerliches Recht (Eigentum) am eigenen Leib heißt darüber hinaus, diesen ausschließlich durch die eigene Willkür bewegen können, also frei von der Willkür anderer. Und diese Freiheit von der Willkür anderer kann nicht anders als unveräußerlich sein. Denn wäre sie es nicht, dann wäre die Exklusivität der eigenen Willkür dahin, und mit ihr die Unveräußerlichkeit des Rechts auf den eigenen Leib.

Das angeborene Recht auf Freiheit ist jedoch nur dann faktisch durchsetzbar, wenn es als solches anerkannt werden kann. Anerkennung setzt wiederum (das Vermögen zur) Einsicht voraus. In diesem Sinne ist eine Metaphysik der Sitten notwendig und reicht Anthropologie alleine nicht aus. Für die Sittengesetze gilt: "Nur sofern sie als a priori gegründet und nothwendig eingesehen werden können, gelten sie als Gesetze, ..."(49) Die Einsicht in die Gültigkeit sittlicher Gesetze dient dann auch als Rückversicherung des eigenen Tuns, dem die Frage gestellt werden kann, ob seine Universalisierung als sittliches Gesetz gedacht werden könne. Dem entsprechend lautet Kants kategorischer Imperativ: "[H]andle nach einer Maxime, welche zugleich als ein allgemeines Gesetz gelten kann!"(50)

In diesem Sinne ist der kategorische Imperativ eine innere und eine äußere Voraussetzung von Freiheit. Innere Voraussetzung soll dabei heißen: Jeder muß diese Einsicht erbringen, um sittliche Gesetze anerkennen zu können. Und äußere Voraussetzung will heißen: Jeder andere außer mir muß dieselbe Leistung erbringen, damit die sittlichen Gesetze allgemein verbindlich sind. Erst dadurch ist meine und die Freiheit der anderen allseits verbindlich anerkennbar.

Keine Voraussetzung, wohl aber ein Motiv für Freiheit, ist das natürliche Gefühl der Abscheu, das mit der Beschneidung von Freiheit einhergeht. "Der Mensch hat seine eignen Neigungen u. vermöge seiner Willkühr einen Wink der Natur seine Handlungen diesen zu folge zu richten. Es kann nun nichts entsetzlicher seyn als daß die Handlung eines Menschen unter dem Willen eines andern stehen soll. Daher kan kein Abscheu natürlicher seyn als den ein Mensch gegen die Knechtschaft hat."(51) Beim Gedanken an Knechtschaft empfand Kant Gram und Verzweiflung. Zwar, so Kant, könne auch Wind und Wetter einen Knecht quälen, doch nicht so geschickt wie sein Herr, der dies mit Vernunft tun könne. "Setze ich auch voraus er sey gut wer steht mir davor daß er sich nicht eines andern besinne."(52) Die Unberechenbarkeit der Willkür des anderen verstärkt somit das Gefühl der Verzweiflung.

Diese Unberechenbarkeit verschwindet jedoch, sobald die Möglichkeit, fremde Willkür aufzuzwingen, vom Tisch ist, sobald es eine Verfassung gibt, welche die Freiheit des einen neben der Freiheit des anderen bestehen läßt.(53) Solche Grenzen zu errichten, sah Kant als die Aufgabe des Staates an. "Im Staatsrecht ist nicht das Glück des Bürger (denn das mögen sie selbst besorgen) sondern das Recht derselben, was das princip der Verfassung ausmacht."(54)

Aufgabe des Staates also ist es, den Kanon allgemeinverbindlicher Gesetze aufzustellen und dessen Einhaltung zu überwachen. Wie die rechtschaffenen Bürger ihr eigenes Glück besorgen, geht den Staat jedoch nichts an. Der Staat ist nicht dazu da, seine Bürger glücklich zu machen, ihre Wohlfahrt zu besorgen. In dem Sinne soll der Staat nicht Wohlfahrtsstaat sein. Und jeder Versuch, es dennoch zu sein, ist im Ansatz despotisch. "Eine Regierung, die aus dem Prinzip des Wohlwollens gegen das Volk als eines Vaters gegen seine Kinder errichtet wäre, d.i. eine väterliche Regierung (imperium paternale), wo also die Unterthanen als unmündige Kinder, die nicht unterscheiden können, was ihnen wahrhaftig nützlich oder schädlich ist, sich bloß passiv zu verhalten genöthigt sind, um, wie sie glücklich sein sollen, bloß von dem Urtheile des Staatsoberhaupts und, daß dieser es auch wolle, bloß von seiner Gütigkeit zu erwarten: ist der größte denkbare Despotismus (Verfassung, die alle Freiheit der Unterthanen, die alsdann gar keine Rechte haben, aufhebt)."(55)

Kant wendet sich gegen den paternalistischen Wohlfahrtsstaat. Wohl gemerkt: Der paternalistische Wohlfahrtsstaat, vor dem Kant warnt, hat nach Form und Ausmaß mit dem heutigen fraternalistischen Wohlfahrtsstaat wenig gemein. Allerdings haben beide eine sehr wichtige Gemeinsamkeit, und diese liegt in der Tendenz, die individuelle Freiheit zu zerstören.

Daß Kant eine Regierung ablehnt, die den Bürger glücklich machen will, versteht sich nach dem Gesagten nahezu von selbst: Wer andere nach eigenem Gutdünken zu ihrem Glück führen möchte, muß ihnen das Recht auf Freiheit absprechen, es sei denn, all diejenigen, die er führen will, suchten auf demselben Weg nach demselben Glück. Aber genau das ist nicht der Fall.


1.4. Fazit

Kants mangelte es an Interesse und Verständnis für ökonomische Themen. Die Ökonomie war nicht sein Terrain. Auch dort, wo sich Ökonomie mit Ethik überschnitt, z.B. in der Frage nach freier oder zwangsweiser Armenfürsorge, meldete er kein sichtbares Interesse an. Wirtschaftliche Freiheit wurde für ihn erst im Feld des Sittlich-Rechtlichen zum Thema. Und auch dort nur im Grundsätzlichen: in der Eigentumsfrage.

In dieser Frage weist er allerdings deutlich über Locke hinaus. Locke hielt das Faktum, Eigentum am eigenen Körper und der durch ihn verrichteten Arbeit zu haben, für ausreichend, um den Erwerb von Eigentum durch Arbeit zu legitimieren. Hier klopft ihm Kant zu Recht auf die Finger: Warum sollte die Arbeit einer Person an einer Sache, die noch niemandem gehört, alle anderen Personen verbindlich vom Gebrauch dieser Sache abhalten? Arbeit an einer Sache, die keinen Eigentümer hat, ist laut Kant nichts mehr als eine einseitige Absichtserklärung. Zum Eigentum dessen, der sie bearbeitet, wird sie dadurch nicht.

Nur für Eigentum am eigenen Körper ist die Zustimmung der anderen nicht notwendig. Eigentum am eigenen Leib ist für Kant ein angeborenes und unveräußerliches Recht, aus dem das unveräußerliche Recht auf Freiheit denknotwendig folgt. Dieses Recht ist allerdings universal. Daher endet die Freiheit eines jeden dort, wo sie der Freiheit des anderen einen Schaden zufügen könnte. "Recht ist die Einschränkung der Freiheit eines jeden auf die Bedingung ihrer Zusammenstimmung mit der Freiheit von jedermann, in so fern diese nach einem allgemeinen Gesetze möglich ist;"(56)

Freilich ist damit das Problem der Abgrenzung individueller Freiheitssphären erst auf den Punkt gebracht. Gelöst ist es damit noch nicht. Denn es bleibt die – von Peter Koller in folgender Weise formulierte – Frage, "welchen Umfang die Handlungsfreiheit jedes Einzelnen haben soll, um nach einem allgemeinen Gesetz für alle möglich zu sein. Worin besteht für Kant das Kriterium der wechselseitigen Verträglichkeit individueller Freiheitssphären?"(57)

Allerdings weist Kants Lehre vom Eigentum einen Weg zur Lösung dieser Frage.(58) Dieser Weg führt über die gedachte Aufteilung aller herrenlosen gegenständlichen Güter in Privatbesitz. Wenn nämlich alle äußeren Gegenstände und deren exklusive Nutzung auf Individuen verteilt sind, dann ist sehr schnell klar, wann eine Verletzung individueller Freiheit vorliegt: dann nämlich, wenn eine Handlung an fremdem Eigentum ohne freiwillige Einwilligung des Eigentümers vorgenommen wurde, ganz gleich ob zum Nutzen oder Schaden des Eigentümers. Handlungen an Gütern, die niemandes Eigentum sind, gibt es in einer vollkommen privatisierten Welt nicht.

Bisher hat eine solche Welt nie existiert. Damals wie heute gibt es Güter, die (faktisch und/oder normativ) nicht privat sind. Nicht-private Güter werden häufig in drei Gruppen geteilt: öffentliche Güter, Allmendegüter und Mautgüter.(59) Anders als private Güter haben solche Güter die Probleme der ausschließlichen Nutzung und der Rivalität bei der Nutzung nicht oder nur teilweise gelöst. Dieser Umstand muß nicht immer praktische Folgen haben. Solange ein Gut, wie z.B. die Sonne, so ausreichend vorhanden ist, daß keiner darunter leidet, wenn auch die anderen es nutzen, entsteht für niemanden unmittelbar ein praktisches Problem hinsichtlich der Nutzung dieses Gutes. Erst wenn der allseitige Gebrauch eines nicht-privaten Gutes Interessenkonflikte aufwirft, entsteht ein Problem: ein Knappheitsproblem. Als Alexander der Große vor Diogenes trat, der in seiner Tonne lag, entstand ein solcher Konflikt, der zudem die Pointe hat, daß Alexander diese Interessenüberlagerung gar nicht wollte. Aber als er vor Diogenes stand, war diesem der Blick auf die Sonne versperrt. Und so beeinträchtigte Alexander den Diogenes beim Genuß eines freien Gutes, der Sonne. Anders ausgedrückt: Alexander verursachte Diogenes eine negative Externalität,(60) er schränkte dessen Handlungsspielraum ein. Hätte er es mit böswilliger Absicht getan, würde man sein Tun für verwerflich halten können. So aber führte sein Tun zu einem negativen externen Effekt, ohne daß er diesen gewollt oder billigend in Kauf genommen hätte. Indem Alexander im Freien umherging, konnte er nicht anders als öffentliche Güter, wie Sonne, Luft etc., in Anspruch nehmen. Solche und ähnliche Fälle, in denen jemand durch die Anspruchnahme öffentlicher Güter einen Dritten in dessen Status quo negativ beeinträchtigt, gehören zum Alltag. Und es ist verführerisch, in ihnen Freiheitsbeschneidungen zu sehen. Doch hinter dieser Sichtweise verbirgt sich ein analytischer Fehlschluß. Wenn meine Freiheitssphäre jener Bereich ist, den ich mein eigen nenne, dann kann eine Beeinträchtigung meines Genußes an einem öffentlichen Gut – das per definitionem weder mein noch eines anderen Gut ist – keine Beeinträchtigung meiner Freiheitssphäre sein. Indem also jemand durch die Anspruchnahme öffentlicher Güter einen Dritten in dessen Status quo negativ beeinträchtigt, enthält er diesem (wissentlich oder unwissentlich) einen Vorteil vor, aber er dringt nicht in dessen Freiheitssphäre ein. Die Existenz öffentlicher Güter und deren Nutzung wirkt sich also nicht auf die klare Abgrenzung individueller Freiheitssphären aus, weder positiv noch negativ. Das bedeutet auch, daß es nicht nötig ist, Kant an dieser Stelle konsequentialistisch nachzubessern.(61) Eine explizit konsequentialistische Deutung seiner Konzeption individueller Freiheit in einer Welt mit privaten und öffentlichen Gütern hätte Kant wohl auch kaum angestrebt.(62)

Möglicherweise hat Kant die konsequente Verfolgung des Privatisierungsgedankens und dessen Folgen für die Abgrenzung individueller Freiheitssphären nie betrieben.(63) Hätte er es in der hier "nachgedachten" Weise getan, wäre sein Ergebnis analytisch korrekt gewesen: Jede Handlung außerhalb dessen, was mein ist, verletzt die Freiheit desjenigen, dessen Eigentum ich durch mein Tun beeinträchtige; es sei denn, er stimmte diesem Tun freiwillig zu, wie es z.B. bei Tauschhandlungen der Fall ist.




Anmerkungen:

(1) Vgl. Reinhard Brandt, "Kant und Möser", in Aufklärung 3.2, 1988, S. 93: "Ein auffälliges und für die deutsche Philosophie und vielleicht sogar die deutsche Geschichte verhängnisvolles Phänomen ist das völlige Fehlen eines Interesses an der Ökonomie bei Kant." (Hervorhebung von mir).

(2) Brandt 1988, S. 93.

(3) Das Zitat stammt aus einer der Vorlesungsmitschriften, den Vorlesungen über Moralphilosophie (Moralphilosophie Collins). Es ist, wie alle Kantzitate – sofern nicht anders angegeben –, der Akademieausgabe (kurz AA) entnommen, hier: AA XXVII, S. 416.

(4) Zu den spontanen und nur "im Prinzip" vorhersagbaren Ergebnissen des Marktes und aller anderen spontanen Ordnungen siehe Hardy Bouillon, Ordnung, Evolution und Erkenntnis, Tübingen 1991.

(5) Immanuel Kant, Reflexion 8000, 80001, AA XIX, S. 578f.

(6) Ebenda.

(7) Vgl. Peter Koslowski 1983, S. 10.

(8) Immanuel Kant, Reflexion 7938, AA XIX, S. 560.

(9) Immanuel Kant, Die Metaphysik der Sitten, AA VI, S. 482f.

(10) Vgl. Gertrude Lübbe-Wolff, "Begründungsmethoden in Kants Rechtslehre, untersucht am Beispiel des Vertragsrechts", in Brandt 1982, S. 291. Lübbe-Wolff wirft dort Kant einige Verstöße gegen seinen Grundsatz, die Sittenlehre nicht pragmatisch zu begründen, vor. Als Beispiele dienen ihr die Abschreckungseignung einer Strafe bei Verbalinjurien als Kriterium der Verhältnismäßigkeit (Die Metaphysik der Sitten, AA VI, S. 332) und die Unmöglichkeit erfolgreicher Abschreckung als Grund der subjektiven Straflosigkeit in Notstandsfällen (Die Metaphysik der Sitten, AA VI, S. 235f.); vgl. Lübbe-Wolff, ebenda, Fußnote 17. Man kann jedoch dagegen einwenden, daß diese Beispiele nur die rechtlichen Aspekte einer Tat, nicht aber die sittliche Seite derselben beleuchten. Sie sind zwar Exempel einer pragmatischen Begründung der Rechtslehre, nicht aber Exempel einer pragmatischen Sittenlehre.

(11) Vgl. AA XXVII, S. 432f.: "Wer keine gütige Handlung ausübet, aber auch nicht das Recht anderer gekränket hat, der kann immer rechtschaffen seyn, und wenn alle so wären, so würde es keine Arme geben." Vgl. auch Kants Äußerung über den vermeintlichen Großmut von Fürsten in den Bemerkungen zu den Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen (AA XX, S. 41).

(12) Immanuel Kant, Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht, AA III, S. 27f.

(13) Ebenda, S. 15.

(14) Adam Ferguson, An Essay on the History of Civil Society, London 1767, S. 187, hier zitiert nach der Übersetzung in Friedrich A. von Hayek, Freiburger Studien, Tübingen 1969, S. 97.

(15) Adam Smith, Der Wohlstand der Nationen. Eine Untersuchung seiner Natur und seiner Ursachen, aus dem Englischen übertragen und mit einer Würdigung von Horst Claus Recktenwald, München 1974, S. 371.

(16) Adam Smith, Theorie der ethischen Gefühle, nach der Auflage letzter Hand übersetzt und mit einer Einleitung, Anmerkungen und Register herausgegeben von Walther Eckstein, unveränderter Nachdruck mit einer neuen Bibliographie von Günter Gawlick, Hamburg 1977, S. 316f.

(17) Am 9. Juli 1771 schreibt Kant in einem Brief an Markus Herz: "Über den Engländer Smith der, wie Herr Friedlander mir sagt, Ihr Liebling ist, habe ich verschiedene Remarken zu machen. Auch mich hat dieser Mann ungemein belustigt, aber gleichwohl setze ich ihn dem ersten Theile von Home Kritik bey weiten nach" (AA X, S. 126). Zu dieser Stelle wird in der Akademieausgabe (Band XIII, S. 54) angemerkt, daß bereits 1770 die Theory of Moral Sentiments von Chr. R. Rautenberg ins Deutsche übersetzt und in Braunschweig verlegt, vorlag. – Kant setzt Smith im Brief an Herz anscheinend sehr herab. Andererseits lobt er ihn in der Reflexion 1355 wegen seiner moralischen Kenntnis des Menschen: "Aber wo ist der [Geschichtschreib] Schriftsteller, der die Geschichte und die trokensten philosophische Gegenstande mit Verstand und tiefer einsicht doch so schön abhandelt als hume oder die moralische Kentnis des Menschen wie Smith" (AA XV.2, S. 592)

(18) Vgl. Anm. 3.

(19) Immanuel Kant, Bemerkungen zu den Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen, AA XX, S. 66f. – Wir verzichten hier wie anderenorts auf eine Angleichung der Orthographie und Kommatierung an heutige Standards – die hier vielleicht geboten zu sein scheint – aus einem einfachen Grund: Ob der Autor einen Text falsch interpretiert hat oder nicht, kann der Leser allein am originalen Textlaut vollständig entscheiden. Es ist nur recht und billig, mögliche Fehlauslegungen nicht hinter sprachlichen Bereinigungen zu verstecken.

(20) Zum Eigentum am eigenen Körper siehe auch den folgenden Abschnitt.

(21) So heißt es auch in Kants Metaphysik der Sitten, daß die Erde ursprünglich im Besitz aller Menschen war; ebenda, §17 (AA VI, S. 267).

(22) John Locke, Zwei Abhandlungen über die Regierung, übersetzt von Hans Jörn Hoffmann, hg. und eingeleitet von Walter Euchner, Frankfurt 1989, 4. Auflage, S. 215f. (§25).

(23) Ebenda, S. 216f. (§27).

(24) Ebenda, S. 219 (§31).

(25) Ebenda, S. 222 (§36).

(26) Immanuel Kant, Die Metaphysik der Sitten, AA VI, S. 267.

(27) Vgl. Brandt 1974, S. 171.

(28) Immanuel Kant, Die Metaphysik der Sitten, AA VI, S. 268f.

(29) Ebenda, S. 245.

(30) Vgl. dazu auch Howard Williams, Kant’s Political Philosophy, Oxford: Basil Blackwell 1983, S. 87.

(31) Immanuel Kant, Die Metaphysik der Sitten, AA VI, S. 249.

(32) Ebenda, S. 253.

(33) Ebenda, S. 253f.

(34) Ebenda, S. 258.

(35) Ebenda, S. 263.

(36) John Locke, Zwei Abhandlungen über die Regierung, übersetzt von Hans Jörn Hoffmann, hg. und eingeleitet von Walter Euchner, Frankfurt 1989, 4. Auflage, S. 217 (§28).

(37) Ebenda, S. 268; vgl. auch Wolfgang Kersting, Wohlgeordnete Freiheit. Immanuel Kants Rechts- und Staatsphilosophie, Berlin 1984, S. 115.

(38) Immanuel Kant, Die Metaphysik der Sitten, AA VI, S. 268 (Hervorhebung von mir).

(39) Vgl. Howard Williams, Kant’s Political Philosophy, Oxford: Basil Blackwell 1983, S. 86, der dort ähnlich argumentiert.

(40) Vgl. Wolfgang Kersting, Wohlgeordnete Freiheit. Immanuel Kants Rechts- und Staatsphilosophie, Berlin 1984, S. 165.

(41) Immanuel Kant, Bemerkungen zu den Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen, AA XX, S. 66.

(42) Immanuel Kant, Die Metaphysik der Sitten, AA VI, S. 283.

(43) John Locke, Zwei Abhandlungen über die Regierung, übersetzt von Hans Jörn Hoffmann, hg. und eingeleitet von Walter Euchner, Frankfurt 1989, 4. Auflage, S. 214 (§23).

(44) Immanuel Kant, Zum ewigen Frieden, AA VIII, S. 350.

(45) Ebenda.

(46) Immanuel Kant, Die Metaphysik der Sitten, AA VI, S. 213.

(47) Vgl. Hardy Bouillon, Freiheit, Liberalismus und Wohlfahrtsstaat, Baden-Baden: Nomos 1997, Kap. 3

(48) Immanuel Kant, Die Metaphysik der Sitten, AA VI, S. 237.

(49) Ebenda, S. 215.

(50) Ebenda, S. 225.

(51) Immanuel Kant, Bemerkungen zu den Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen, AA XX, S. 88.

(52) Ebenda, S. 92f.

(53) Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft, AA III, S. 247.

(54) Immanuel Kant, Reflexionen 7938, AA XIX, S. 560.

(55) Immanuel Kant, Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis, AA VIII, S. 290f.

(56) Immanuel Kant, Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis, AA VIII, S. 289f. Ähnlich Immanuel Kant, Die Metaphysik der Sitten, AA VI, S. 230: "Eine jede Handlung ist recht, die oder nach deren Maxime die Freiheit der Willkür eines jeden mit jedermanns Freiheit nach einem allgemeinen Gesetze zusammen bestehen kann."

(57) Peter Koller, "Zur Kritik der Kantischen Konzeption von Freiheit und Gerechtigkeit" in Traditionen und Perspektiven der analytischen Philosophie. Festschrift für Rudolf Haller, hg. von Wolfgang L. Gombocz, Heiner Rutte und Werner Sauer, Wien 1989, S. 58.

(58) Ähnlich Koller; vgl. ebenda, S. 58f.

(59) Vgl. Hardy Bouillon, Freiheit, Liberalismus und Wohlfahrtsstaat, Baden-Baden: Nomos 1997, Kap. 4 über "öffentliche Güter". Dort wird erörtert, worauf diese Einteilung fußt und welche Rolle solche nicht-privaten Güter im Spannungsverhältnis von individueller Freiheit und Wohlfahrtsstaat spielen.

(60) Zu negativen Externalitäten vgl. auch den Abschnitt über "öffentliche Güter".

(61) Eine konsequentialistische Deutung der Kantschen Konzeption der Handlungsfreiheit gibt Peter Koller, "Zur Kritik der Kantischen Konzeption von Freiheit und Gerechtigkeit" in Traditionen und Perspektiven der analytischen Philosophie. Festschrift für Rudolf Haller, hg. von Wolfgang L. Gombocz, Heiner Rutte und Werner Sauer, Wien 1989, S. 61ff. Abgesehen von anderen hier nicht diskutierbaren Problemen, führt eine konsequentialistische Deutung der individuellen Freiheit zu einem generellen Feststellungsproblem. Das gilt auch für Kollers Deutung, wie er selbst einräumt. Sein Vorschlag ist, Handlungen mit negativen Externalitäten nach allgemeinen Verhaltensregeln soweit einzuschränken, daß "sich die negativen Folgen einer weitergehenden Einschränkung des Handelns und die unerwünschten Konsequenzen einer geringeren Freiheitsbeschränkung die Waage halten." Gleichwohl sieht er das darin enthaltene, unlösbare Feststellungsproblem: Wer bewertet die Folgen der Handlungen?; vgl. ebenda, S. 66.

(62) Vgl. Anmerkung 10.

(63) Koller behauptet, daß weder Kant noch dessen "orthodoxen Interpreten" – wobei offen bleibt, wen er damit meint – die Frage der Einschränkung von Handlungsfreiheit zur Wahrung wechselseitiger Verträglichkeit zufriedenstellend beantwortet hätten; vgl. Peter Koller, "Zur Kritik der Kantischen Konzeption von Freiheit und Gerechtigkeit" in Traditionen und Perspektiven der analytischen Philosophie. Festschrift für Rudolf Haller, hg. von Wolfgang L. Gombocz, Heiner Rutte und Werner Sauer, Wien 1989, S. 57. Im Rahmen dieses Aaufsatzes kann allerdings nicht untersucht werden, inwieweit das stimmt.

 

Hardy Bouillon, Priv.-Doz., Dr. phil. habil., geb. 1960 in Trier, Studium in Trier, Albuquerque und Oxford, seit Juli 1998 Executive Director am Centre for the New Europe in Brüssel, Ordentliches Mitglied der Mont Pelerin Society, Ordentliches Mitglied der Allgemeinen Gesellschaft für Philosophie in Deutschland.

 



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